WWF-Kantonsrating: Der lange Weg nach Paris
Noch kann keiner der Schweizer Kantone den Pariser Klimazielen gerecht werden. Das zeigt ein aktuelles Rating des WWF Schweiz. Demnach wurden zwar einige Massnahmen, etwa zum Austausch alter Heizungen, umgesetzt. Nennenswerte Auswirkungen lassen aber zumeist auf sich warten und die Emissionen im Gebäudebereich bleiben zu hoch.
- Der WWF Schweiz hat alle 26 Kantone unter die Lupe genommen und hinsichtlich Klimaschutz und Energiepolitik im Gebäudebereich analysiert.
- Der klimafreundlichste Kanton der Schweiz ist Basel-Stadt, gefolgt von Neuenburg und Uri. Am meisten aufzuholen hat Appenzell Innerrhoden.
- Obwohl seit dem Rating 2019 Fortschritte erzielt wurden, ist noch immer kein Kanton auf einem 1,5-Grad-Pfad.
- Anreize oder Vorschriften, etwa zum Heizungstausch oder für Sanierungen, brauchen viel Zeit, bis sie im Gebäudebestand eine relevante Wirkung zeigen.
Zitate von Leandro De Angelis, Energieexperte beim WWF Schweiz
«Es ist sehr erfreulich, dass etliche Kantone in den vergangenen Jahren deutliche Fortschritte machen konnten. Vor allem beim Austausch alter Heizungen durch klimafreundlichere Alternativen hat sich viel getan.»
«Trotzdem ist noch kein Kanton auf einem Paris-kompatiblen Absenkpfad. Besonders gross ist der Handlungsbedarf bei der Sanierung von Gebäuden und der Umstellung auf E-Mobilität.»
«Das Rating offenbart teils deutliche Unterschiede zwischen den Kantonen und zeigt damit den grossen Handlungsspielraum auf kantonaler Ebene.»
«Um die Klimaziele der Schweiz erreichen zu können, sollten alle an einem Strang ziehen. Die sogenannten Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich sind entsprechend sehr wichtig, werden durch die Kantone aber zu lange verschleppt. Die aktuelle Überarbeitung sollte deshalb möglichst ambitioniert ausfallen und zeitnah umgesetzt werden.»
Kantone für Klimaschutz entscheidend
Die Kantone spielen für den Klimaschutz eine zentrale Rolle. Vor allem im Gebäudebereich entscheiden sie selbstständig, dieser ist für 40 Prozent des Schweizer Energieverbrauchs und knapp ein Viertel der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Dazu kommt das grosse Potenzial beim Ausbau der Solarenergie und der Ladeinfrastruktur für E-Autos. Ohne die Kantone kann die Schweiz ihre klima- und energiepolitischen Ziele nicht erreichen.
Dabei können sie Vorschriften zur Energieeffizienz und zum Einsatz erneuerbarer Energie erlassen, finanzielle Anreize setzen und für eine Sensibilisierung und Beratung der Hauseigentümer:innen sorgen. Die sogenannten Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) dienen dabei als Leitlinien und geben einige Empfehlungen. Die aktuell gültigen MuKEn sind allerdings von 2014 und völlig veraltet.
Sie werden derzeit von den Energiedirektoren der Kantone gemeinsam überarbeitet, um auch die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu berücksichtigen. Während einzelne Kantone vorausgehen, hinken andere selbst den veralteten Empfehlungen noch deutlich hinterher. Das Kantonsrating des WWF sorgt hier für Transparenz.
Fünf Handlungsfelder analysiert
Analysiert wurden Zielsetzung, Massnahmen und tatsächliche Wirkung in fünf Handlungsfeldern: Energieeffizienz, erneuerbare Wärme, erneuerbarer Strom, Elektromobilität und Vorbildfunktion der kantonalen Verwaltung. Ebenfalls beurteilt wurde, inwieweit sich die Kantone auf einem Pfad in Richtung Netto-Null-Emissionen befinden. Diesen Zustand sollten sie spätestens 2037 erreichen, sodass die Schweiz als Ganzes ihre vom Volk gegebenen Klimaziele erfüllen kann.
Noch ist kein Kanton auf diesem Weg und doch gibt es einige, die in den verschiedenen Bereichen mit guten Beispielen vorrangehen:
Vorreiter in jedem Handlungsfeld
Netto-Null-Ziel: Der Kanton Basel-Stadt hat sich das Ziel gesetzt, ab 2037 Netto-Null-Emissionen auszustossen.
Effizienz Gebäude: Genf hat eine Sanierungspflicht eingeführt: Ineffiziente Gebäude mit einem Wärmeverbrauch über einem festgelegten Wert müssen saniert und der Wärmeverbrauch gesenkt werden. Der Wert wird periodisch angehoben.
Erneuerbare Wärme: Die Regelungen im Kanton Zürich sehen vor, dass beim Austausch von Heizungen in bestehenden Gebäuden erneuerbare Alternativen (beispielsweise Wärmepumpen) eingesetzt werden müssen.
Erneuerbarer Energie: Uri und Wallis sind die ersten Kantone, die Vorgaben für die Eigenstromerzeugung bei Dachsanierungen vorsehen. Wird das Dach eines Gebäudes saniert, muss es mit einer Photovoltaik- oder einer Solarthermieanlage ausgerüstet werden.
Elektromobilität: Neuenburg hat die Pflicht eingeführt, bei Neubauten 40 Prozent der Parkplätze mit einer Ladestation auszustatten. Andere Länder gehen aber noch bedeutend weiter. In Frankreich ist ein Anteil von 75 Prozent vorgeschrieben, in Italien bei Nichtwohngebäuden 100 Prozent.
Vorbildfunktion der kantonalen Verwaltung: In Nidwalden, Schwyz, Jura, Basel-Stadt und Uri beträgt der Anteil erneuerbarer Heizungen am gesamten Gebäudebestand der öffentlichen Verwaltung bereits über 80 Prozent. BS, UR und ZH haben das Ziel, Netto-Null innerhalb der Verwaltung schon bis 2030 zu erreichen.
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Eine interaktive Karte, grafische Aufbereitungen und weitere Infos gibt es hier.
Kontakt
Timo Landenberger, Mediensprecher WWF Schweiz, +41 44 297 21 73, timo.landenberger@wwf.ch