Ihre Stimme macht den Unterschied
Energiefragen, Klimakrise, Gewässerschutz und das Artensterben. Umweltthemen sind so wichtig wie noch nie, nicht nur im Bundeshaus. Doch im Einzelfall stimmt die Mehrheit des Parlaments viel zu oft gegen die Umwelt. Deswegen sind die Wahlen 2023 so wichtig.
«Von einer ökologischen Trendwende kann keine Rede sein.»
Es war im Frühling dieses Jahres. Im Nationalrat stand eine Entscheidung an, wie viel Restwasser bei Wasserkraftwerken in den Flüssen verbleiben muss. Nur wenn diese Mindestmengen genügend gross sind, können Fische und andere Tiere überleben. Doch die Mehrheit des Nationalrats entschied sich gegen die Umwelt. Letztlich fehlte im Rat eine einzige Stimme. Eine Stimme, die entscheidend für die Vielfalt und das Leben in unseren Flüssen gewesen wäre.
Auch Sie entscheiden in diesen Tagen, wer diese eine Stimme ist. Denn unsere Wahlentscheidungen werden sichtbar in all den kleinen und grossen Entscheidungen, die unser Parlament trifft. Wenn Sie bei den anstehenden Wahlen den Politiker:innen Ihre Stimme geben, denen Umweltschutz wichtig ist, helfen Sie der Natur am meisten.
«Grüne Welle» ohne Kraft
Wenn ich auf die letzten Wahlen im Oktober 2019 zurückblicke, war von einer «Grünen Welle im Bundeshaus» die Rede. Und tatsächlich waren die Sitzgewinne für die ökologischen Kräfte im Parlament substanziell. Doch das Bild von einem Parlament auf Umweltkurs, das sich in den Köpfen der Menschen festgesetzt hat, entspricht nicht der Realität. Von einer ökologischen Trendwende kann keine Rede sein. Denn obwohl Umweltthemen in der Öffentlichkeit an Bedeutung gewinnen, kommt der politische Prozess nur schleppend voran. Und auch Corona hat den anfänglichen Schwung ausgebremst.
Es ist vor allem der Ständerat, der bremst. Die kleine Kammer hat 2019 einige umweltfreundliche Politiker:innen verloren. Der Verlust dieser Stimmen – die oft auch Brücken zwischen den traditionellen politischen Blöcken bauen konnten – hatte Konsequenzen. Er führte dazu, dass der Ständerat weit weniger umweltfreundliche Entscheidungen getroffen hat als in der Legislatur zuvor.
Zudem haben die Parteien der politischen Mitte die umweltfreundliche Politik nicht ausreichend unterstützt. Dies, obwohl sich zumindest bei der FDP bei Klimaabstimmungen ein Kurswechsel abzeichnet. Die Mitte-Partei hingegen enttäuschte: Vor allem bei Abstimmungen zu Themen wie Biodiversität, Gewässerschutz und Landwirtschaft hat sie sich nur selten für die Umwelt ausgesprochen. Damit liegt sie nun hinsichtlich ihrer Umweltfreundlichkeit etwa gleichauf mit der FDP und weit hinter ihrem Abstimmungsverhalten der letzten Legislaturen: Bei nur wenig mehr als einem Drittel der Abstimmungen stimmten die beiden Parteien für die Umwelt.
Und so kommen plötzlich umweltpolitische Errungenschaften wie der Gewässerschutz und Schutzgebiete massiv unter Druck. Wären nicht einige umweltfreundliche und mutige Vertreter:innen in ihren Reihen verblieben, sähe die Bilanz noch einseitiger aus. Die umweltpolitische Mitte braucht dringend ein Comeback. Aktuelle Umfragen wie das Sorgenbarometer zeigen, dass Klima- und Naturschutz mitten in der Gesellschaft angekommen sind. Auch in der Wirtschaft macht sich die Überzeugung breit, dass eine intakte Umwelt und ein gesundes Klima von fundamentaler Bedeutung sind.
Diese Trends und öffentliche Debatten wirken sich auf die parlamentarische Arbeit aus: Umweltschutz ist politisch geworden. In faktisch jeder parlamentarischen Session werden zentrale Fragen der Umweltpolitik behandelt. Das war vor nicht allzu langer Zeit noch anders.
Wie wir in der Politik vorwärtskommen
Um das Momentum zu nutzen, brauchen wir mehr ökologische Kräfte im Parlament: eine stärkere Vertretung umweltfreundlicher Parteien und mehr umweltaffine Politiker:innen in allen Fraktionen. Damit wird es möglich sein, gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Politik ist immer ein Prozess, in dem verschiedene Interessen austariert werden müssen. Dazu braucht es auch ausserparlamentarische Allianzen. In diesem Bereich kann der WWF einen wichtigen Beitrag leisten. Er setzt sich gemeinsam mit anderen Akteuren konstruktiv für positive Veränderungen ein. Er ist eine wichtige Kraft in der umweltpolitischen Landschaft der Schweiz. Sein Anliegen ist es, Brücken zwischen verschiedenen Positionen zu bauen – ohne Vorurteile, ohne Berührungsängste.
Weil die Komplexität der Umweltgeschäfte im Parlament weiter steigt, will der WWF weiterhin sein Know-how einbringen und Konsequenzen parlamentarischer Entscheidungen aufzeigen. Damit gibt er der Umwelt im Parlament eine Stimme.
Wandel ist möglich – jede Stimme zählt
Das Klimathema zeigt, dass positiver Wandel möglich ist. Die Parteien haben die Bedeutung wahrgenommen und den Handlungsbedarf erkannt. Wir müssen die positive Dynamik nun verstärken, beschleunigen und auch auf andere Themenfelder wie die Biodiversität, die Landwirtschaft oder den Bereich der nachhaltigen Finanzen ausweiten. Mehr zu diesen Brennpunkten lesen Sie in den vier Artikeln auf den folgenden Seiten.
Die Zusammensetzung des neuen Parlaments wird die nationale Politik der nächsten vier Jahre prägen – und darüber hinaus. Weil die neu gewählten Parlamentarier:innen die gesetzlichen Grundlagen erarbeiten, die die Umweltpolitik für Jahrzehnte definiert. Wenn Sie also bei der Wahl am 22. Oktober die umweltpolitischen Weichen auf viele Jahre hinaus in die richtige Richtung stellen wollen, nutzen Sie Ihre Stimme zugunsten der Umwelt. Wir alle sind Teil der notwendigen Veränderung. Geben Sie der Umwelt Ihre Stimme.