Ohne Klimaschutz ist jede zweite Art in Gefahr
Die bisher umfassendste Analyse von Klimawandel und Biodiversität zeigt: Steigen die Temperaturen ungebremst weiter an, sind in biologisch besonders wichtigen Regionen die Hälfte der Arten in Gefahr. Für eine heute publizierte Studie wurden dazu rund 80'000 Tier- und Pflanzenarten berücksichtigt.
Forscher des WWF UK und der University of East Anglia haben für 35 Regionen untersucht, wie sich mit dem menschgemachten Klimawandel Temperaturen und Niederschläge ändern und welche Folgen dies für die Artenvielfalt hat. Der Fokus der heute veröffentlichten Studie liegt auf den für die Biodiversität besonders wichtigen Regionen wie dem Amazonas, Madagaskar, dem Mittelmeer oder dem östlichen Himalaya. Fazit der Studie: Bei einem «weiter wie bisher» und einer Klimaerwärmung von 4.5 Grad droht in diesen Regionen die Hälfte der Tier- und Pflanzenarten lokal auszusterben. Bei einer Erwärmung von 2 Grad ist jede vierte Art in den betrachteten Regionen in Gefahr. Bisher sind die globalen Temperaturen im Vergleich zur vorindustriellen Zeit bereits um 1 Grad gestiegen. «Die Zukunft der Biodiversität ist in unseren Händen», sagt Thomas Vellacott, CEO des WWF Schweiz.
Mangel an Wasser, Nahrung und Männchen
Die Klimaerwärmung setzt beispielsweise Arten stark zu, die in heute schon sehr heissen Gebieten leben. Der Afrikanische Elefant braucht bis zu 300 Liter Wasser am Tag. Mit den vorausgesagten längeren Dürreperioden werden die Konflikte mit Menschen und die Sterblichkeit der Kälber zunehmen. Der Klimawandel behindert die Fortpflanzung der Meeresschildkröten im Mittelmeer: Das Geschlecht der Jungen hängt von der Temperatur des Sandes ab, in den die Weibchen die Eier legen. Ist der Sand zu heiss, gibt es nur noch Weibchen. Zudem sind die Nistplätze an den Stränden selbst in Gefahr, weil der Meeresspiegel steigt und Wetterextreme häufiger werden. Das australische Felskänguru dürfte wie viele andere Arten im Landesinnern nicht mehr genug zu Fressen finden, wenn es noch wärmer und trockener wird. Der Grosse Panda in China könnte zwar in nördlichere Breitengrade und grössere Höhen auswandern, der Bambus als Hauptnahrungsquelle wird aber kaum im notwendigen Tempo mitwandern. Insgesamt haben die Studienautoren rund 80'000 Tier- und Pflanzenarten berücksichtigt.
Die Zahl gefährdeter Arten würde sinken, wenn viele Arten in heute noch kühlere Gebiete ausweichen könnten. Oft sind die Aussichten dafür aber schlecht, weil es keine Ausweich-Lebensräume gibt, weil Nahrungsketten auseinander gerissen würden oder andere Faktoren nicht stimmen. Ebenfalls einen starken Einfluss haben weitere Gefahren für die Biodiversität wie Siedlungsbau und Landwirtschaft, Umweltgifte oder Wilderei. Der Ausbau und die Vernetzung von Schutzgebieten und andere Naturschutz-Massnahmen sind darum zentral, um die Folgen des Klimawandels auf die Natur zu mildern.
Die Studie wird heute in der wissenschaftlichen Zeitschrift «Climate Change» veröffentlicht.
Eine Zusammenfassung des Reports (Englisch) kann unten heruntergeladen werden.
Kontakt (auch für Pressebilder)
Philip Gehri, Medienstelle WWF Schweiz, philip.gehri@wwf.ch, 044 297 22 25